130-Prozent-Grenze auch bei Fahrrädern

Fahrräder mit Elektromotor gehören inzwischen zum Alltag auf den Radwegen. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) wurden 2018 in Deutschland 980.000 Fahrräder mit Elektromotor verkauft, rund ein Drittel mehr als 2017. Im Schnitt investierten die Kunden etwa 2.300 Euro. Allerdings nahm auch die Zahl der tödlichen Unfälle mit motorisierten Fahrrädern zu: 2018 kamen bis Ende Oktober 83 Menschen ums Leben, ein Plus von fast 30 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum 2017. Insgesamt ist ein deutlicher Anstieg von Unfällen mit motorisierten Zweirädern zu beobachten. Das bei der Reparatur von Fahrrädern wie bei Autos auch die so genannte 130 Prozent Grenze zu berücksichtigen ist, hat nunmehr jüngst das OLG München entschieden, Urteil vom 16.11.2018.

Dann heißt es:

„Grundsätzlich kann ein Geschädigter im Totalschadensfalle ausnahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zzgl. einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen, wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigt (BGH VersR 1992,61; BGH r+s 2003, 303; r+s 2005, 172; r+s 2009, 434; r+s 2010, 128; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. A., § 249 BGB, Rn. 65). Maßgeblich für die Berechnung ist grundsätzlich die Reparaturkostenkalkulation des Sachverständigen, nicht der schlussendlich tatsächlich angefallene Reparaturaufwand. Der Restwert des Fahrzeuges wird bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt. Grundlage dieser Rechtsprechung ist das besondere Integritätsinteresse des Geschädigten. Damit soll faktisch sichergestellt sein, dass das Eigentum des Geschädigten für den Bedarfsfall in seiner konkreten Zusammensetzung und nicht nur dem Wert nach erhalten bleiben kann. Der Reparaturkostenersatz erfolgt allerdings nur nach tatsächlich durchgeführter, fachgerechter Reparatur im Umfange des Sachverständigengutachtens (BGH DAR 2005, 266), jedenfalls aber in einem Umfang, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt (BGH DAR 2005, 268 [269]). Eine Teilreparatur ist nicht ausreichend. Setzt der Geschädigte nach einem Unfall sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht in Stand, ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Wert der Sache wäre eine solche Art der Wiederherstellung im Allgemeinen unvernünftig und kann dem Geschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick darauf zugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und von ihm gewünschte Zustand des Fahrzeuges auch tatsächlich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wiederhergestellt wird (vgl. BGH VersR 2007, 1244; BGHZ 162, 161, 168; BGH VersR 1972, 1024 f. und VersR 1985, 593, 594). Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und Bereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeuges wie vor dem Unfall wieder herstellt.

Diese zu beschädigten Kraftfahrzeugen ergangene Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats auch für ein, wie hier nahezu vollständig beschädigtes Rennrad, übertragbar (…).“

Aufgrund der Zunahme von motorisierten Fahrrädern im Straßenverkehr werden diese auch zunehmend in Unfälle verwickelt. Eigentümer werden aufgrund der Preisstruktur von motorisierten Fahrrädern häufig vor die Frage gestellt, ob es sich lohnt, die Fahrräder reparieren zu lassen. Die Rechtsprechung des OLG München gibt jetzt zumindest den rechtlichen Rahmen vor, bis zu welcher Grenze das Fahrrad repariert werden darf. Zu beachten ist allerdings, dass eine Reparatur dann tatsächlich durchgeführt werden muss und zwar nach den Vorgaben, die ein Sachverständiger gemacht hat. Dann jedoch steht der Reparatur eines solchen Fahrrades auch über den Wiederbeschaffungswert hinaus nichts im Wege, was wirtschaftlich häufig deutlich vorteilhafter ist als eine Abrechnung auf Totalschadensbasis. Die gegnerische Haftpflichtversicherung muss dann die vollständige Reparatur bezahlen.

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